Eine der größten Herausforderungen für das autonome Fahren besteht in der extremen Varianz der auftretenden Verkehrssituationen sowie in dem unsicheren zukünftigen Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer. Verfahren aus dem Forschungsgebiet der Verhaltensvorhersage (Motion/Behavior Prediction) begegnen diesen Unsicherheiten, indem sie das Verhalten der umliegenden Verkehrsteilnehmer prädizieren und berücksichtigen. Ein Großteil der Verfahren verwendet dafür jedoch situationsspezifisches Vorwissen. Diese Verfahren erreichen zumeist eine hohe Prädiktionsgüte, sind jedoch in ihrer Anwendbarkeit auf jene Situationen limitiert, die innerhalb des situationsspezifischen Vorwissens abgebildet sind. Ein zweites wissenschaftliches Konzept leitet die Vorhersage des Verhaltens maßgeblich aus den physikalischen Möglichkeiten eines Verkehrsteilnehmers ab und berücksichtigt das individuelle Verhalten lediglich über einfache Heuristiken. Durch die physikalische Modellierung resultiert zwar keine systematische Limitierung der Anwendbarkeit, jedoch führt die nur eingeschränkte Berücksichtigung des individuellen Verhaltens zu großflächigen zukünftigen Aufenthalts- bzw. Belegungsräumen, die den freien Navigationsraum für andere Fahrteilnehmer konzeptionell einschränken und somit auch zur Limitierung der Bewegungsmöglichkeiten eines autonomen Fahrzeugs führen. Um die genannten Einschränkungen zu überwinden, präsentiert diese Arbeit ein neues Verfahren zur Vorhersage des Verhaltens von Verkehrsteilnehmern, das exemplarisch anhand der Objektklassen „Fahrzeug“ und „Fußgänger“ beschrieben wird. Initial werden durch verschiedene Verhaltensanalysen die allgemein relevanten und damit zu betrachtenden Bewegungsoptionen einer jeden Objektklasse bestimmt. Durch eine auf Prädiktion und Interaktion basierende Analysemethode wird jede betrachtete Bewegungsoption hinsichtlich des Einflusses von statischen und dynamischen Objekten bewertet. Da durch dieses Ausschlussverfahren kein Wissen über das typische Verhalten in einer Verkehrssituation benötigt wird, zieht dieses Vorgehen auch keine Limitierung der Anwendbarkeit auf verschiedene Verkehrssituationen nach sich. Das Ergebnis des Verfahrens aus der Bewertung der Bewegungsoptionen ist eine probabilistische Vorhersage des zukünftigen Verhaltens. In dieser Arbeit werden daraus die zukünftigen Aufenthaltsräume der Verkehrsteilnehmer bestimmt und z.B. auch einscherende Fahrzeuge erkannt. Zur quantitativen Bewertung des Verfahrens wurden die berechneten Aufenthaltsräume gegen das reale Verhalten von Verkehrsteilnehmern evaluiert. Dabei zeigte sich für die Objektklasse „Fahrzeug“, dass die berechneten zukünftigen Aufenthaltsräume auf Autobahnen im Vergleich zu einer auf vornehmlich physikalischen Betrachtungsweise basierenden Vorhersage um bis zu 66% kleiner ausfallen und trotzdem nur 0.8% der betrachteten Fahrzeuge innerhalb des Vorhersagezeitraums von 2.5 Sekunden den projizierten Aufenthaltsraum verlassen (urbanes Umfeld: Flächenreduzierung: 49.5%, Verlassen des Aufenthaltsraums: 1.55%). Aus der analogen Evaluierung der Objektklasse „Fußgänger“ resultiert eine Flächenreduktion von bis zu 61%, die wiederum mit einer Verlassenshäufigkeit des projizierten Aufenthaltsraums von 0.38% verknüpft ist. Zudem zeigt eine zusätzliche Validierung mit einscherenden Fahrzeugen, dass die Performance des Verfahrens dieser Arbeit mit spezialisierten Verfahren zur Erkennung einscherender Fahrzeug mindestens vergleichbar ist, ohne aber eine spezifische situationsbedingte Algorithmusanpassung zu erfordern. Die dargelegten Ergebnisse zeigen daher, dass diese Arbeit eine effiziente und performante Lösung beschreibt, die in der Lage ist, sowohl mit der Varianz der auftretenden Verkehrssituationen als auch mit dem unsicheren zukünftigen Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer umzugehen.
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