Die vorliegende Arbeit setzt sich basierend auf Ermüdungsexperimenten grundlegend mit dem Einfluss unterschiedlicher mechanischer Belastungen auf das Ermüdungsrisswachstum in Stählen und Aluminiumlegierungen auseinander. Die Ermüdungsrissausbreitung wurde hierzu in dem Austenit X5CrNi18-10 und dem Ferrit C45E bei konstanter (einstufiger) Belastung für unterschiedliche R-Werte und Spannungsintensitäten analysiert und zudem der Einfluss von Überlasten eingehend untersucht. Zum Aluminium liegen experimentelle Untersuchungen aus den Arbeiten von Broll und Rödling vor. Die Versuche wurden an einer speziell für Ermüdungsrissausbreitung konzipierten Versuchsanlage durchgeführt. Diese ermöglicht mit der hochauflösenden Gleichstrompotentialsonde das Risswachstum zyklenweise mit einer Messgenauigkeit von ca. einem Mikrometer aufzulösen. Die Experimente haben gezeigt, dass die Rissfortschrittsrate vom Spannungsverhältnis R und von der maximalen Spannungsintensität Kmax abhängig ist. Durch die Einführung einer 3D-Darstellung konnte die Rissausbreitung dieser Abhängigkeit gerecht wiedergegeben werden. Die Diskussion verschiedener Rissfortschrittsmodelle mit dem Ziel, eine geschlossene Funktion für da/dN(R,Kmax) zu finden, führt u. a. zu einem neuen Ansatz für den Schwellenwert Kmax,th(R). Mit diesem kann der Schwellenwert eines Werkstoffes für alle R-Werte angegeben werden kann. Des Weiteren wurde das Berechnungskonzept zur Vorhersage von Rissausbreitungskurven bei unterschiedlichen R-Werten weiterentwickelt. Das neue Berechnungskonzept konnte erfolgreich sowohl bei den Stählen, als auch bei der Aluminiumlegierung 6013 angewendet werden. Es ermöglicht, basierend auf zwei Rissausbreitungskurven, die Berechnung der materialspezifischen Rissfortschrittsrate für beliebige R- und Kmax-Werte. In den Überlastexperimenten lässt sich erkennen, dass sich der Riss während der Überlast entsprechend der Überlasthöhe um einige Mikrometer ΔaÜL verlängert. Im Anschluss wächst der Riss noch einige Zyklen gegenüber der Ausgangsgeschwindigkeit beschleunigt, erst dann kommt es zur sogenannten Verzögerung. Die Rissverlängerung ΔaÜL ist im Stahl und im Aluminium 100-mal größer als infolge der Rissausbreitungskurven bei entsprechender Belastung erwartet. Dieser Unterschied, der im Widerspruch zur LEBM steht, wird darauf zurückgeführt, dass während der Überlast die Rissausbreitung der Rissöffungsverschiebung (COD) entspricht, unter konstanter zyklischer Belastung jedoch von der Mikrostruktur bzw. Versetzungsemission und -bewegung an der Rissspitze dominiert wird.
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